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Von und mit neuen Energien träumen.

Audi sucht den Kraftstoff der Zukunft – so war es vor kurzem im Technikteil  der FAZ zu lesen. Eschericheria Coli produzieren offensichtlich hochwertige Kohlenwasserstoffe. Hört sich eigentlich gar nicht so spektakulär an. Aber man könnte fast ins Träumen kommen, denn «hochwertige Kohlenwasserstoffe» sind in diesem Fall Isobuten, eine Vorstufe von reinem Oktan, also einem energiereichen Brennstoff.

Der Öl- und Gasmarkt erlebt dank technologischer Quantensprünge eine neue Dynamik, die noch vor wenigen Jahren den meisten unmöglich schien. Das ist die andere Lesart unserer energetischen Zukunft. Denn allen Sorgen um den Klimawandel zum Trotz ist der globale Energieverbrauch seit der Jahrtausendwende um mehr als ein Viertel gestiegen. Galten in den letzten zwei Jahrzehnten des 20 Jahrhunderts Öl und Gas als knappe Ressourcen, wird gegenwärtig der Markt geflutet und die Preise haben sich zeitweise nahezu halbiert. Neue Fördermethoden revolutionieren die Branche und pflügen die bisher scheinbar stabilen Machtverhältnisse im gigantischen Geschäft mit dem «schwarzen Gold» um. Dabei wird Gas über kurz oder lang das Öl als wichtigsten fossilen Brennstoff ablösen, prophezeien die Experten. Die technisch getriebene Entwicklung ermöglicht die Gewinnung von so genanntem «unkonventionellem Öl und Gas», wie Fachleute Lagerstätten bezeichnen, die schwer erschließbar sind. So wird heute zum Beispiel Öl aus Tiefen gefördert, die vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar schienen. Aber auch das inzwischen umstrittene «Fracking» – ein Gemisch aus Sand, Wasser und verschiedenen Chemikalien wird unter Druck in den Untergrund gepumpt, um die Gaseinschlüsse- und Ablagerungen zu «knacken» – erschließt Vorkommen, von denen in der Vergangenheit gar nichts bekannt war. Ein anderes Verfahren gewinnt mit der Förderung von Ölsand den Rohstoff im Tagebau. In Kohleflözen sucht und erschließt die Branche mit neuen Verfahren Gasvorkommen. Einen zusätzlichen Schub erhält der Markt durch die inzwischen großindustriell mögliche Verflüssigung von Gas. Durch starke Kühlung kann das «Liquified Natural Gas» (LNG) in Tankschiffe verfrachtet und damit ohne den Bau von Pipelines über große Strecken transportiert werden. Eine komplette Veränderung der Marktverhältnisse ist die Konsequenz. Die USA und Australien mischen als grosse Spieler in einem Markt mit, wo bislang die Nationen des Nahen Ostens (Öl) und Russland (Gas) den Ton angegeben haben.

Die Kehrseite der Medaille: Mit dem technischen Aufwand und Möglichkeiten wachsen die ökologischen Kosten. Was harmlos umschreibt, was in Wirklichkeit eine gigantische Vernichtung von Lebensräumen bedeutet. Wasserverschmutzung in Meeren und Seen, aber auch von Grundwasservorkommen, und die Zerstörung ganzer Landstrich sind die hässlichen und nicht wirklich neuen Begleiterscheinungen der Öl- und Gasgewinnung. Unkalkulierbare Risiken bergen dabei auch Unfälle, die Katastrophen auslösen können, die ganze Regionen verwüsten. «Deep Water Horizon» steht dafür beispielhaft.

Experten nennen so etwas «interruptive technology» – wenn ein komplett neuer Technikansatz alles Bestehende auf den Kopf stellt. Könnte die Produktion von hochwertigen Kohlenwasserstoffen mittels Bakterien eine solche Technologie sein? Das französische Unternehmen Global Bionenergies  hat sich inzwischen durch mehr als 20 Patentfamilien das Verfahren schützen lassen, sagt Thomas Buhl, der Leiter der Unternehmensentwicklung. Aus dem Isobuten von Global Bionenergies hat das Fraunhofer-Institut CBP in der Bioraffinerie Leuna Isooktan (Trimethylpentan) gewonnen, also reines Oktan, wie es zur Verbesserung der Benzinqualität eingesetzt wird (Oktanzahl 100). Der deutsche Projektpartner Audi hat offenbar vor wenigen Tagen die erste Lieferung in Empfang genommen. Von der Möglichkeit einer grosstechnologischen Gewinnung zu wettbewerbsfähigen Preisen gehen die Spezialisten um die Projektpartnerschaft aus.

Da könnte man dann also ins Träumen kommen: Eine (auto-)mobile Zukunft ohne umweltzerstörende Gewinnung von Gas und Öl, eine Ende des kollektiven Wahnsinns der vermeintlich ökologischen Elektromobilität, das Ende der Abhängigkeit von Schurkenstaaten wie Qatar (dort werden übrigens die weltweit grössten Gasvorkommen vermutet) oder Saudi-Arabien, keine weitere Ausbeutung von afrikanischen, südamerikanischen und chinesischen Sklavenarbeitern, die «seltene Erden» aus der Erdkruste kratzen, damit bei uns Tesla-Fans das elektrische Zeitalter proklamieren können, … Eigentlich alles zu schön, um wahr zu sein. Denn möchte das wirklich jemand, dass ganze Industrien plötzlich auf einem veralteten Geschäftsmodell sitzen, oder ganze Volkswirtschaften den Bach runter gehen? Werden die Mächtigen dieser Erde zusehen, wie sie den Hebel aus der Hand geben müssen, mit dem sie die ganze Welt in derselben haben – nämlich Öl und Gas? Beruhigend immerhin, dass ein Weltkonzern sich mit dem Thema beschäftigt und nicht irgendeine kleine Muckelbude im schwäbischen Hinterland oder der spanischen Provinz. Die Gefahr, dass die Technologie mittels grosszügiger Angebote kassiert wird, bevor sie überhaupt marktfähig wird, ist so geringer.

Und vielleicht gibt es ja im «alten Europa» doch noch Manager, die sich als Unternehmer verstehen und sich trauen aufzubrechen, um die Welt zu einem klein bisschen besseren Ort zu machen. Manchmal ist es schön, mit «positiver Energie zu träumen» …

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