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Besuch. Das achte Türchen.

Barbara brauchte frische Luft. Sie öffnete das Fenster, um einen Schwung der kalten, abendlichen Winterluft ins Büro zu lassen. Sie stand am offenen Fensterflügel und sog die Luft tief ein, während sie andächtig die von der Abendsonne orange angestrahlten Bergketten am Horizont betrachtete. Der wohl letzte schöne Abend. Für die nächsten Tage war Schnee angesagt. In diesem Moment stieg ihr der süßliche, nicht unangenehme Duft in die Nase. Cannabis.

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Besuch. Das sechste Türchen.

Peter und Paul stürmten herein. Die großen Zwillingsbrüder von Lina. «Hey Mom. Hast Du Dir ne Runde Gras gegönnt?» Die zwei Halbstarken gigelten aufgekratzt , während Lina die Treppe herunter kam: «Hä? Gras? Mama, warum Gras?» Barbara drohte mit dem Zeigefinger: «Hallo erstmal. Eure kleine Schwester ist noch ein unschuldiges Kind. Und überhaupt – wie kommt Ihr darauf?» Peter sah seine Mutter nachsichtig an: «Na ja. Ich würde sagen, dazu braucht’s kein Drogen-Fahnder, so wie’s draußen riecht. Du wärst übrigens nicht die einzige Mum, die ab und zu mal ein Tütchen raucht.»

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Besuch. Das fünfte Türchen.

Wer war diese Frau? Inzwischen war sie wieder weggegangen, wie Barbara mit einem heimlichen Blick durch das gekippte Fenster der Gästetoilette festgestellt hatte. Sie hatte diese Frau definitiv noch nie gesehen. Trotzdem war Barbara etwas an ihr bekannt vorgekommen. Fast vertraut. Warum dachte sie überhaupt über diese fremde Frau nach? Barbara stand auf und drehte das Licht der großen Stehlampe an, die neben dem Kaminofen stand. Den würde sie nachher noch anfeuern. Barbara und Jonathan liebten die Heimeligkeit eines knisternden Kaminfeuers an kalten Winterabenden. Sie würde Jonathan nichts von der Frau erzählen. Schließlich hatte diese Frau keine Bedeutung für sie. Dachte Barbara. In diesem Moment drehte sich im Schloss der Haustüre ein Schlüssel.

Besuch: Das vierte Türchen.

Familie Meyerhöfer lebte in einem wunderbaren Haus. Einzigartige Lage, stilsichere Architektur, geschmackvolle Einrichtung, aufgeräumt, aber dank Barbaras Naturell weit entfernt davon, Besucher mit der glatten Perfektion anderer Unternehmer-Haushalte zu überwältigen, in welchen die Familie Meyerhöfer ein und ausging. Barbara weigerte sich auch standhaft, eine Putzhilfe oder Zugeh-Frau zu beschäftigen, was regelmässig die laut und unmißverständlich vorgetragene Missbilligung Ihrer Schwiegermutter provozierte.

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Besuch. Das dritte Türchen.

Die Anwesenheit der fremden Frau und die Tatsache, dass sie jetzt dort draußen rauchend saß, war ihr unangenehm. «Mama, wer ist das?» Lina hatte die Stiefel von den Füssen gekickt, hatte das Licht in der weitläufigen Wohnküche angeknipst, die direkt an die ebenso weitläufige Diele grenzte und füllte sich am Spülbecken ein Glas Wasser ein. Barbara schüttelte den Kopf: «Keine Ahnung.» Sie stellte die Taschen auf den Boden, streifte den Mantel ab, und hängte ihn an die Garderobe, während sie ebenso aus den Stiefeln und in die gemütlichen Hausschuhe schlüpfte. «Hilfst Du mir, die Sachen zu verstauen?» Lina war mehr oder weniger begeistert und bummelte mit ihrem Wasserglas zum Kühlschrank. Sie begannen die Einkäufe im Kühlschrank einzusortieren, während Lina wie ein Wasserfall von Schule, Freundinnen und Klavierstunde erzählte. Aber Barbara war nicht bei der Sache.

Besuch. Das erste Türchen.

Sie stand direkt an der Einfahrt. Barbara hätte die Frau fast überfahren, als sie von dem fast kreisrunden, kleinen Platz in den gepflasterten Hof einbog. «Mama. Achtung.» Lina auf dem Rücksitz, die sie nach dem Einkauf von der Klavierstunde abgeholt hatte und die ausnahmsweise nicht auf ihrem Handy dattelte, hatte fast geschrieen. Barbara kannte die Frau nicht. Sie war mittelgross, nachlässig aber nicht schmutzig oder ärmlich gekleidet, und sie hatte offensichtlich ins Tal geblickt, wo in der aufkommenden Dämmerung die Lichter der Stadt glitzerten und sich im See spiegelten. Die Frau allerdings hatte nur kurz den Kopf gewendet und schien dann wieder ungerührt den phantastischem Ausblick zu geniessen, den man vom wunderschönen Barbaraplatz aus hatte.

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Nichts. Ist relativ.

«Doch langsam wird es eng für unsere Zukunft. Wir erleben einen Angriff auf den Traum, den wir zu leben wagten. Ob in Israel, in der EU oder in der Ukraine. Despoten und Terroristen zerstören menschliche Körper. Aber menschliche Träume zerstören die anderen – die gleichgültigen Nachbarn, die unauffälligen Schweiger, die unterkühlten Relativierer und die vielen, die sich zu bequem geworden sind, um sich ernsthaft der neuen Realität zu stellen.… Diese Kombination aus Gewalt und der Nichthaltung zu dieser Gewalt ist die tödliche Mischung unserer Zeit.» Das schrieb Sergey Lagodinsky kürzlich in der FAZ.

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