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Die Lügen-Maschine

Ehemals gestartet als die ultimative Kommunikationsmaschine wissen wir spätestens nach der amerikanischen Präsidentenwahl mehr: Facebook ist die grösste Lügenmaschine aller Zeiten. Desinformation statt Aufklärung, Hass und Falschmeldungen statt Wahrhaftigkeit, Fake statt Wirklichkeit. Gigantische Fluten billigen Wortmülls ohne Gehalt, gezielte Lügen monströsen Ausmasses markieren das Ende jeder vernünftigen öffentlichen Wahrnehmung.

Und gleichwohl schafft diese Maschine eine neue Wirklichkeit: Was einer möglichst grossen Vielzahl von «Usern» plausibel scheint und «geliked» wird, ist wohl «irgendwie wahr». Auf jeden Fall vermeintlich relevant für viele andere, was noch mehr «Likes» provoziert. Das führt dann dazu, dass jeder Unfug, sei er auch völlig frei erfunden, plötzlich Aufmerksamkeit geniesst in der öffentlichen Diskussion. Damit hat Donald Trump eine Wahl gewonnen und eine Gesellschaft tief gespalten.

Ein anderes Beispiel der Manipulation: «Pegida» und AfD, die zur Zeit wohl schmuddeligsten Bewegungen in Deutschland, haben bestens verstanden, wie soziale Medien funktionieren. Und haben ihre Auftritte perfektioniert. Die Verantwortlichen der AfD posten fast ausschließlich Banner mit Fotomontagen und Zitaten. Dazu einen knappen Text. Solche Bilder werden vom Algorithmus eher bevorzugt, sie generieren mit ihrer einfachen Struktur mehr Reaktionen. Pegida geht ähnlich vor. Unter einem Beitrag laufen so rasch mal 6.000 Meinungen auf, 8.000 Mal drücken Nutzer „Gefällt mir“. Facebooks Algorithmus erkennt unabhängig vom Inhalt das Interesse am Post und geht davon aus, dass er noch mehr Menschen interessieren könnte. Damit erreicht dann ein Beitrag plötzlich mal mehr als drei Millionen Menschen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Eintrag als bewusste Lüge daherkommt oder zurechtgebogene Stimmungsmache. Entscheidend für den Erfolg ist, dass ein Posting polarisiert.

«Fake news» lautet der Begriff der Stunde, und eine neu aufkommende aktuelle Diskussion entzaubert möglicherweise (hoffentlich) die seit Jahren gehypte  Bedeutung von Facebook & Co. Vielleicht (und nochmals hoffentlich) sickert so ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, dass Facebook u.a. von den Mitarbeitenden so genannter «Troll-Farmen» mit propagandistischen und gefakten Postings gefüttert wird. Oder dass Twitter Tweets von so genannten «Bots» aussendet. Das sind automatisierte Programme, die selbstständig Kommentare fabrizieren und verbreiten, und so mit massiver Aktivität des Eindruck von Popularität erzeugen. Donald Trump und Hillary Clinton nutzten solche Bots. Das „Project on Computational Propaganda“ der Oxford University berechnete, dass mehr als ein Drittel aller Pro-Trump-Tweets zwischen der ersten und zweiten Fernsehdebatte von Automaten erzeugt wurde. Solche Praktiken  verzerren die Verhältnisse bis zur Unkenntlichkeit.

Aber betrachten wir das Ganze noch aus einer anderen Perspektive. Was im politischen Raum phantastisch funktioniert, ist in Marketing und PR schon lange Alltag: CEO’s von Konzernen führen eigene Facebook- (und Twitter-) Konten und suggerieren Usern und Followern Authentizität mit mehr oder weniger sympathischen Postings.  So wie das Schauspieler und Prominente seit den ersten Tagen der Social-Media-Zeit machen. Eine Authentizität, die es eben nicht gibt. Denn nur einfach Gemüter glauben, dass jene vielbeschäftigten Laut- und Vielsprecher ihre Konten persönlich bedienen. In Wirklichkeit arbeiten professionelle Medienexperten und füttern die Maschine mit – tja, mit was? Ja, mit Wortmüll. Oder den Affen mit Zucker.

«Was die Grossen können, können wir auch», sagt sich inzwischen jedes einigermassen gut aufgestellte Unternehmen in der Provinz, bestärkt von einem Heer diensteifriger Agenturen, Beratern und selbsternannter Experten auf der Suche nach Umsatz. Diese füllen dann die grosse Lügen-Maschine weiter mit Wortmüll und Informations-Junk, und auch sie spiegeln Echtheit vor, die es nicht gibt. Weil keiner den schnellen Zug der digitalen Verheissung einer besseren Zukunft verpassen möchte, springen alle auf.

Fake als Prinzip, die Lüge als Geschäftsmodell? Der Zweifel an der Relevanz von einem zwar populären aber substanzlosen Schwindel (Fake) ist also keine schlechte Stimmung eines Fortschrittsverweigerers, sondern nüchternes Kalkül eines Kommunikationsprofis.

 

1 Kommentare

  1. Tommer Pius sagt

    Fake, ich hoffe dass dieser Artikel nicht fake ist!! Ist aber eine eindrückliche Wahrheit geworden. Spass beiseite, aber was ist die Zukunft in Bezug auf Social Media? Über lang hat sich immer die Wahrheit durchgesetzt! Ich denke die Kraft der Algorythmen-Maschinerie wird noch eine Weile sein Unheil anrichten bis sich was neues mit einer „END TO END“ Lösung abzeichnet!

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