Alle Artikel in: Ansichten

Einfach mal vorwärts machen.

Bundeswahlleiterin Ruth Brand hat in in ihrem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz vor «einer grossen organisatorischen Herausforderung» und «unwägbaren Risiken» gewarnt, mit Blick auf die von vielen Bürgern offenbar gewünschten schnellstmöglichen Neuwahlen. Der erste Reflex und die vermeintliche Lösung sind inzwischen typisch geworden für diese Republik: Wir schieben das Ganze nach hinten. Wobei wir den Kern unserer gegenwärtigen Probleme benannt hätten. Denn die Wirklichkeit lässt sich nicht verschieben. Sie holt einem früher oder später ein. Siehe Wladimir Putin und Donald Trump. Aber eigentlich wäre es doch ganz einfach: Die Bremsen lösen, in die Hände spucken, anpacken, vorwärts machen, und die Angst vergessen. Und die Strassen reparieren, anstatt Schilder fürs Langsamfahren aufstellen. Ja, und endlich ein lebenswertes Land mit ganz viel Potential aus seiner merkel-scholzschen bleiernen Lethargie aufwecken.

Das Grillvergnügen.

Geköpft, gebrüht, gerupft und gebraten – der tote Zeuge zahllosen Mordens beklagte über den züngelnden Flammen mit einem leisen, schmerzlichen Pfeifen seine Leidensgenossen: 620 Millionen Hühner, 55 Millionen Schweine und drei Millionen Rinder waren im vergangenen Jahr eines gewaltsamen Todes gestorben. Er starrte in die schwarze Höhle des abgehackten Halses: Eine bohrende Frage grub sich in seinem Magen fest, war ein Leben ohne Schuld möglich? … 

Kinder und Narren.

… Der Bub hielt die Hand der Mutter fest. «Muetter, was meinscht. Wer kommt no zruck? Da Weihnachtsmann?» Plötzlich ein Stoss, wie von einer mächtigen Faust. Er liess das ganze Haus beben: Der Sturm war da, warf sich krachend gegen die klirrenden Scheiben. Wo gerade eben noch die Gehöfte der Mut-Bauern zu sehen waren – jetzt war nur noch überall das wild tanzende Weiss der Flocken. Die Mutter schrie es fast: «Bub, Nei. Nit da Weihnachtsmann. Der Wahnsinn, der Wahnsinn kommt zruck!»

Da Schnee kommt zruck …

«Muetter, Muetter, da Schnee kommt zruck!» Mit vor Angst geweiteten Augen sah das Kind aus dem Fenster. Schwarzgrau dräute der Himmel. Am Grat der Hassberge züngelten böse weisse Fahnen und kündeten den nahen Sturm. Die Häuser der Mut-Bauern – niemand im Tal wusste mehr, warum man sie seit Generationen so nannte – am gegenüberliegenden Bergrücken waren nur noch an den Dächern zu erkennen. Sie schienen im verlöschende Sonnenlicht gleichsam zu glimmen. «Bub, do muesst net schrein. Jo, da Schnee kommt zruck.» Bang strich die Mutter ihrem Sohn übers Haar und fügte leise an: «Jo, aber net nur der, …»

Besuch. Türchen 24.

Er tippte Nicola leicht an die Schulter: «Warum hast Du Dir die Bank vor unserem Haus ausgesucht? Warum bist hier?» Die Härte kehrte in Nicolas Gesicht zurück: «Wundert mich, dass Du jetzt erst fragst.» Sie schwieg und liess einen um den anderen Teigstreifen in das sprudelnde Salzwasser gleiten. Jonathan stand dicht bei ihr an den Herd gelehnt und sah Ihr zu. Nach einer Weile setzte er nach: «Das ist keine Antwort.» Sie zuckte mit den Schultern: «Stimmt.» Jonathan war der Meinung, sie sei ihm eine Antwort schuldig: «Ich warte.» Nicola schwieg beharrlich. Jonathan schüttelte den Kopf. Nicola sagte plötzlich leise: «Und wenn es Zufall wäre?» In diesem Moment klingelte das Handy von Jonathan, das auf dem großen Eichentisch auf den vom Morgen liegen gebliebenen Zeitung vibrierte: «Hallo Barbara.» Jonathan hörte kurz zu: «Ja passt. Auch nach zwölf. Kein Problem. Habe sowieso Besuch. Wer? Erzähl’ ich Dir später.» Jonathan legte das Mobile zurück. Nicola ließ sich vom Herd vernehmen: «Deine Frau wird nicht begeistert sein, wenn Sie von Deinem Besuch Genaueres erfährt.» Nicola hatte am heißen …

Besuch. Das erste Türchen.

Sie stand direkt an der Einfahrt. Barbara hätte die Frau fast überfahren, als sie von dem fast kreisrunden, kleinen Platz in den gepflasterten Hof einbog. «Mama. Achtung.» Lina auf dem Rücksitz, die sie nach dem Einkauf von der Klavierstunde abgeholt hatte und die ausnahmsweise nicht auf ihrem Handy dattelte, hatte fast geschrieen. Barbara kannte die Frau nicht. Sie war mittelgross, nachlässig aber nicht schmutzig oder ärmlich gekleidet, und sie hatte offensichtlich ins Tal geblickt, wo in der aufkommenden Dämmerung die Lichter der Stadt glitzerten und sich im See spiegelten. Die Frau allerdings hatte nur kurz den Kopf gewendet und schien dann wieder ungerührt den phantastischem Ausblick zu geniessen, den man vom wunderschönen Barbaraplatz aus hatte.

Nichts. Ist relativ.

«Doch langsam wird es eng für unsere Zukunft. Wir erleben einen Angriff auf den Traum, den wir zu leben wagten. Ob in Israel, in der EU oder in der Ukraine. Despoten und Terroristen zerstören menschliche Körper. Aber menschliche Träume zerstören die anderen – die gleichgültigen Nachbarn, die unauffälligen Schweiger, die unterkühlten Relativierer und die vielen, die sich zu bequem geworden sind, um sich ernsthaft der neuen Realität zu stellen.… Diese Kombination aus Gewalt und der Nichthaltung zu dieser Gewalt ist die tödliche Mischung unserer Zeit.» Das schrieb Sergey Lagodinsky kürzlich in der FAZ.

«Der hat sie ja nicht mehr alle, … »

«Wow! Was, Du hast ein Wohnmobil gekauft? Einen VW-Bus? Wie cool ist das denn?» Mit California oder Pössls Ducato wäre unsereins in jeder Smalltalk Runde richtig gut dabei. Wenn es alle kaum erwarten können, in den wohl verdienten Ruhestand zu schaukeln. «Wie bitte, einen Porsche hast Du gekauft? Einen 911er? Na ja, Boxter ist ja auch nicht gerade billig? Einfach so? Nur zum Spass? Und Umwelt und Klima sind Dir völlig egal?» Ok, da würde die Unterhaltung – zum Beispiel in Deutschlands Öko-Hauptstadt Freiburg – schon schwieriger. Naja, alles eine Frage der Wahrnehmung. Oder?

Der Horizont ist endlos weit.

Tina Turner ist tot. Gott hab sie selig. Lange vorbei und trotzdem plötzlich ganz nah – die Erinnerungen von damals, das eigene Lebensgefühl dieser Jahre: «Break Every Rule». Alles war möglich. Mit offenem Dach unterwegs, Tina Turner volle Lotte aus den selbst gebauten Boxen in der Karre, und mit ganz viel Hoffnung, dass Batterie und Lichtmaschine nicht abkacken. Sowie der Gewissheit, dass mir die Welt offen steht, alles möglich ist, … und die mich alle mal können. Wer «die» waren? Wusste ich damals nicht so ganz genau. Die «Spießer» und «Bünzli» halt, …

Wenn Demokratie nichts oder alles wert ist.

Neulich beim Frühstück, in gemütlicher Runde anlässlich eines Geburtstages zu Gast: Fast hätte ich gesagt, rund und fett, aber sagen wir es doch lieber so – mit zufrieden satten Bäuchen waren wir versammelt. Unversehens wurde das Gespräch politisch. Eigentlich fest entschlossen, die Behaglichkeit des Augenblicks zu geniessen, wollte ich nicht hinhören. Dann die Aussage: «Mit der Glorifizierung der Demokratie sollte es jetzt schon mal ein Ende haben!» Überhören? Weiter am Cappuccino schlürfen, als wäre nichts gewesen? Ich geb’s zu – geht nicht. Auch nicht mit der größten Willensanstrengung, den friedlichen Vormittag weiter friedlich ausklingen zu lassen.