Das Erbe eines großen Namens anzutreten erfordert Mut. Danny Neynaber hat ihn. Im Okober 21 hat der junge Gastronom mit seiner Frau Evelyn den Adler in Alt-Weil übernommen. Der galt über Jahrzehnte im Dreiländereck als erste Adresse, weithin bekannt, mit Michelin-Stern ausgezeichnet und vom in der Szene legendären Hansjörg Wöhrle 35 Jahre gehalten, besucht von seinerzeit prominenten Gästen wie Helmut Kohl, Lothar Späth oder auch einem Gunter Sachs und einer Brigitte Bardot. Basels Haute Volée, lokal auch als «Daig» bezeichnet, gab sich an der Weiler Hauptstraße ein regelmäßiges Stelldichein. So war das Image sehr, sehr gut, aber ohne Zweifel auch leicht angestaubt. Neuer Wind hat jetzt Einzug gehalten – und das ist der Grund für eine Empfehlung!
Denn seit Februar 22 nun geben Danny und Evelyn Neynaber mit Küchenchef Stéphane Schweighardt sowie ihrem Team dem altehrwürdigen Adler neuen Schwung. Und angestaubt war definitiv gestern. Obwohl der Gastraum mit seiner traditionellen Ausstrahlung erhalten geblieben ist, setzen die modernen Akzente der Ausstattung sowie das Lichtdesign den Ton: Sympathisch elegant, einladend frisch und unaufgeregt souverän. So präsentiert sich auch die Speisekarte. «Herbstsalat, pochiertes Ei im Schinken & Brot Mantel» oder «Saibling, Rettich, roter Beete und Estragon» sind vielversprechender Auftakt. Die Wahl fällt schwer, denn auch ein Chicorée, Pflaume, Walnüsse und Pierre Ludwig Sauce» würden dem winterlichen Hunger auf die Sprünge helfen. Der Frühwinter feiert dann spätestens mit der «Rosa gegarten Rehkeule, Rotkohl, Knödel und Cassis» ein kulinarische Offenbarung. Aber auch der «Wolfsbarsch mit Kräuterseitlingen, Blumenkohl und Venere Reis» weiß zu überzeugen. Die vegan-vegetarische Variante ist für die Adler-Küche keine Notlösung: Der «Hokkaido Kürbis, Mole, Shiitake und Rosenkohl» sind ein geschmackliches und optisches Fest. Das Dessert schließlich ist das i-Tüpfelchen eines seelig stimmenden Menüs und könnte sinnbildlich stehen, für das, was gerade im Adler passiert: «Schwarzwälder 2.0». Die von Tradition schier erschlagene Torte überrascht – und überzeugt – hier mit sehr, sehr aktueller Interpretation. Aber das Glück hat noch kein Ende, denn zum Espresso reicht der Kellner augenzwinkernd zwei hausgemachte Passionsfrucht-Konfekt. Unwiderstehlich.
Küchenchef Stéphane Schweighardt und das Gastgeber-Paar Neynaber verfolgen ein gemeinsame und vor allem für die Gäste sichtbare Strategie: Eine hochstehende Küche mit frischen, wenn irgend möglich regionalen Produkten für saisonal orientierte Gerichte. «Dass wir für die von uns gewollten und von unseren Gästen gewünschten international inspirierten Akzente auch auf die eine oder andere nicht regionale Ware oder Zutat zurückgreifen – dazu stehen wir und ist Teil unserer Ehrlichkeit, die wir unserem eigenen Anspruch entsprechend und unseren Gästen gegenüber leben», erklärt Dany Neynaber. Das Ziel des Elsässers Stéphane Schweighardt ist dabei, die Aromen der eingesetzten Produkte möglichst unverfälscht zur Entfaltung zu bringen. Was ihm ohne Wenn und Aber gelingt.
All das macht wirklich Freude, weil das hervorragende Essen von einem ausnehmend lässig freundlichen und eben nicht überkandideltem Service aufgetragen wird. Eine klar strukturierte Weinkarte mit starkem regionalem Bezug und internationaler Auswahl passt hervorragend zu Stil und Küchenphilosophie. Gediegene Qualität, kein Chichi und mit der Möglichkeit zu jedem Essen einen passenden Begleiter zu finden.
Das Restaurant im Adler ist das Herz des Unternehmens. Um sich den Traum einer eigenen Gastronomie zu erfüllen, war aber für Danny und Evelyn Neynaber klar, dass sie diese Reise nur im Paket mit einem Hotelbetrieb antreten wollten. Das bietet der Adler. In 26 stilvollen Zimmer können die Gäste im alten, gemütlichen Teil von Weil am Rhein nächtigen. Ab November wird das Kellerrestaurant «Spatz» seine Pforten öffnen, das im Nebenhaus des Adler-Ensembles zuhause ist. Dort soll dann eine bodenständig-badische Küche Gäste willkommen heißen, die einen Ort für das gemütliche Beisammensein mit Freunden bei einem «Viertele» zu schätzen wissen.
Unter anderem veröffentlicht am 03.12.2020 im Wirtschafts-Magazin «netzwerk südbaden»