Er tippte Nicola leicht an die Schulter: «Warum hast Du Dir die Bank vor unserem Haus ausgesucht? Warum bist hier?» Die Härte kehrte in Nicolas Gesicht zurück: «Wundert mich, dass Du jetzt erst fragst.» Sie schwieg und liess einen um den anderen Teigstreifen in das sprudelnde Salzwasser gleiten. Jonathan stand dicht bei ihr an den Herd gelehnt und sah Ihr zu. Nach einer Weile setzte er nach: «Das ist keine Antwort.»
Sie zuckte mit den Schultern: «Stimmt.» Jonathan war der Meinung, sie sei ihm eine Antwort schuldig: «Ich warte.» Nicola schwieg beharrlich. Jonathan schüttelte den Kopf. Nicola sagte plötzlich leise: «Und wenn es Zufall wäre?» In diesem Moment klingelte das Handy von Jonathan, das auf dem großen Eichentisch auf den vom Morgen liegen gebliebenen Zeitung vibrierte: «Hallo Barbara.» Jonathan hörte kurz zu: «Ja passt. Auch nach zwölf. Kein Problem. Habe sowieso Besuch. Wer? Erzähl’ ich Dir später.» Jonathan legte das Mobile zurück. Nicola ließ sich vom Herd vernehmen: «Deine Frau wird nicht begeistert sein, wenn Sie von Deinem Besuch Genaueres erfährt.» Nicola hatte am heißen Herd inzwischen den Pullover ausgezogen. Das schwarze Top brachte athletische Arme und ebenso athletische Schultern bestens zur Geltung. Im Dekolleté glitzerte das Gold eines Davidstrens. Jonathan nickte nachdenklich, während er Nicola zusah, wie sie die inzwischen oben auf dem Wasser schwimmenden Pizokel mit dem Schaumlöffel aus dem Topf hob und sie in die vorgefettete Auflaufform gleiten ließ. «Könnte sein. Sie mochte den kiffenden Zaungast tatsächlich nicht. Aber wo waren wir stehen geblieben? Zufall? Meine Lebenserfahrung – und übrigens auch meine Überzeugungen – sagen mir, dass der ‹Zufall› immer dann ins Spiel gebracht wird, wenn Dinge geschehen, die wir nicht erklären können.» Nach einer kurzen Pause fügte er an, mit mehr Schärfe in der Stimme als gewollt: «Oder wollen.» Nicola drehte den Herd ab, packte die Auflaufform, drehte sich um und forderte Jonathan auf: «Könntest Du mir den Dampfgarer bitte aufmachen.» Jonathan klappte die Türe des schon leise blubbernden Garers herab und zog das mittlere Gitter heraus, auf das Nicola die Auflaufform abstellte. Er schloss die Türe wieder. Sie roch gut, stellte Jonathan fest. Nicola ging zum Herd zurück, rührte die dort fein schmurgelnde Salbeibutter vorsichtig um. Dann griff sie nach dem Wasserglas lehnte sich mit der Hüfte an den Herd und sah Jonathan herausfordernd an: «Da waren wir heute Abend doch schon einmal. Dass die meisten Dinge nicht so sind, wie sie scheinen. Und wir sie deshalb auch nur unzureichend verstehen. Weil uns ganz einfach dazu die Sinne fehlen.»
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