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Freie Fahrt für freie Bürger

«Freie Fahrt für freie Bürger» – was einst Grünbewegte zur Weißglut trieb, könnte ganz neue Bedeutung erhalten. Spätestens nämlich jetzt, seit wir den digitalen Waffenschrank der CIA im Cyberwar gegen jeden kennen, wird möglicherweise die Fahrt mit dem eigenen Auto zu einem neuen Baustein der totalen Überwachung unserer durch die technische Entwicklung in Frage gestellten Privatsphäre. Wäre es also nicht langsam Zeit, den durch die Medien jeden Tag aufs neue gepushten Hype ums selbstfahrende Auto in Frage zu stellen?

Ist es kollektiver Wahnsinn oder das Ergebnis einer bis zur Debilität degenerierten App-Gesellschaft? Jeden Tag versprechen uns die Propheten einer schönen neuen Welt huxleyschen Ausmasses die Segnungen der so genannten «autonomen Mobilität» (schon die Begrifflichkeit verschleiert den wirklichen Kern der Sache s.u.), und kein Mensch widerspricht. Obwohl jeden Tag neue Details der möglichen und tatsächlichen Überwachung durch unsere vielen elektronischen (vermeintlichen) Helferlein bekannt werden. Sie erscheinen im grellen Licht, wenn Methoden und Instrumente von NSA und CIA öffentlich werden, und sie sind dann auch plötzlich Gegenstand erregter Debatten über Bürgerrechte und Schutz der Intimsphäre. Aber spätestens, wenn mit leuchtenden Augen das nächste iPhone ausgepackt wird, das sich selbstständig mit der Hardware des schicken Cabrios verbindet, sind diese Schutzrechte vergessen. Dann werden blind und gierig (mit dem wohligen Gefühl jetzt auch dabei zu sein) Häkchen unter Nutzungsvereinbarungen gesetzt, die man gar nicht so genau kennen will und im Zweifel sowieso nicht verstehen würde (Das gibt es übrigens in fast keinem anderen Lebensbereich – oder haben Sie schon einmal beim Installateur Ihres Vertrauens unterschrieben, dass wenn die Dusche nicht einwandfrei funktionieren sollte, sie das als Ihr Problem betrachten?).  Diese Intimsphäre und persönlichen Freiheitsrechte sind auch dann plötzlich schnurz und schnuppe, wenn Google multi- und socialmedial von der grossen neuen Zeit des selbstfahrenden Mobils schwadroniert und beinharte Automobilmanager wie hypnotisierte Kinder die zuckersüssen Versprechungen nachplappern.

Denn jetzt mal im Ernst: Wie hoch wäre der Preis dafür, nicht mehr selbst Hand anlegen zu müssen am Lenkrad? Der Preis wäre über kurz oder lang der Verlust Ihrer persönlichen Freiheit.  Sie würden eben nicht «autonom fahren», sondern «fern gesteuert» (s.o.). Jede Fahrt aufgezeichnet und auf ewig abgespeichert. Verfügbar für Steuerbehörden und Versicherungs-konzerne, im Zweifelsfall für Polizei und Geheimdienst, und im aller schlechtesten Fall für Hacker und kriminelle Organisationen. Denn der Skandal an allen Veröffentlichungen rund um CIA und NSA ist ja nicht in erster Linie, dass diese Behörden Infos sammeln (wollen), sondern dass nicht mal sie in der Lage sind (wären), diese zu schützen und sicher zu verwahren. Apple, Microsoft, Google & Co. schliesslich – genau jene, welche die Verheissungen der (automobilen) Zukunft propagieren – sind die Urheber der Sicherheitslücken, welche andere rechtswidrig nutzen.  Möglicherweise würde «autonomes Fahren» (s.o.) eine ganz unangenehme Bedeutung bekommen, wenn Erpresser damit drohen, Ihren Wagen demnächst mit Ihnen an Bord an die Wand zu fahren. Oder wie schal ist das Versprechen des komfortablen, stressfreien Fahrens mit der Vorstellung, vielleicht Schweigegeld bezahlen zu müssen, damit Ihr aktueller Arbeitgeber nicht erfährt, dass sie vor kurzem für das Vorstellungsgespräch zur Konkurrenz gefahren sind?

Nicht zuletzt, begrenzender Faktor Ihrer Ausfahrten mit dem eigenen Auto wären in Zukunft nicht mehr Benzin oder Diesel, schneebedeckte Pässe oder Staus auf Autobahnen, sondern schlicht und ergreifend das fehlerhafte update Ihrer Software. Und Sie wissen, Sie hätten bei der Inbetriebnahme ihres Wunderautos viele Häkchen gesetzt – Ihr Problem.

Zugegeben, das ist die kritische Sicht aus der Perspektive einer Generation, für die Führerschein und erstes Auto das Versprechen auf Selbstständigkeit und Unabhängigkeit eingelöst haben. Für welche die Fahrt mit dem eigenen klapprigen Wagen gen Süden der Geschmack von Freiheit bedeutet und den Aufbruch in die Zukunft markiert hat. Ja, es ist die Sicht eines unverbesserlichen Romantikers, der sich heute noch über den Klang eines kernig bellenden Sechszylinders freuen kann, und für den der batteriegetriebene Kastrat mit 200 Kilometer Reichweite ungefähr so begehrenswert ist wie es als Jugendlicher das Rad mit Einkaufskörbchen war.

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