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Ikonographie der Angst.

Die Bundeskanzlerin empfiehlt «Maskentragen». Jetzt bleibt es natürlich jedem selbst überlassen, Empfehlungen der Kanzlerin zu folgen oder nicht. Setzt man allerdings auf den vielfach gelobten nüchternen Verstand der Physikerin, kann man weiter schließen, dass sie der Wirkungs-Evidenz des Tragens einer Maske nicht so ganz traut, sonst hätte die Regierung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes eine Pflicht erlassen.

Fassen wir an dieser Stelle kurz zusammen, was das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unter dem Motto «besser als nichts» als Handreichung für den Umgang mit den sogenannten «Community-Masken» empfiehlt, die man weniger euphemistisch auch als selbst geschneiderte Stofflappen bezeichnen könnte :

  1. Engmaschiges Gewebe verwenden.
  2. Vor dem Anziehen Hände waschen.
  3. Beim Anziehen nicht von innen anfassen.
  4. Maske muss Mund, Nase und Wangen bedecken.
  5. Beim Ausziehen möglichst nicht an der Außenseite berühren.
  6. Besser Gummibänder benutzen als Bändel zum Binden.
  7. Nach jedem Abnehmen Hände waschen.
  8. Ist die Maske von der Atemluft durchfeuchtet, sofort abnehmen.

Als Wissenschaftler und verantwortlicher Politiker muss man sehr optimistisch sein, wenn man glaubt, dass Otto Normalverbraucher den professionellen Umgang mit der Maske versteht und umsetzt. Deshalb gibt es auch nach wie vor eine Fraktion unter den Experten, die befürchtet, dass die anderen, nachgewiesenermaßen wirkungsvollen Präventionsmaßnahmen wie Abstandsregeln und konsequente Handhygiene im Alltag in Vergessenheit geraten. Weil die Maske falsche Sicherheit vorgaukelt und gegebenenfalls noch falsch gehandhabt wird.

Ungeachtet dessen – Punkt acht schließlich führt alle anderen Handlungshinweise ad absurdum. Weil die Durchfeuchtung je nach Stoff und Umgebungsbedingungen nach – sind wir großzügig – spätestens einer Stunde erreicht sein wird. Wer mag, kann das gerne nachrechnen: Die Atemluft ist mit einer relativen Feuchtigkeit von 100% wasserdampfgesättigt, entsprechend einem Wassergehalt von 44 mg Wasser pro Luft. Die pulmonale «Perspiratio insensibilis» beträgt beim Erwachsenen etwa 300 ml/24 h, das sind 0,3 Liter. Das heißt pro Stunde atmen wir ca. 12,5 ml Wasser ab. Unterstellen wir weiter, dass sich rund 20 Prozent auf dem Stoff niederschlagen, wären das 3 ml, der Inhalt einer kleinen Spritze. Wer für sich selbst die Anschaulichkeit herstellen möchte, kann mal eine Stunde in ein Glas atmen – aber Achtung – immer wieder frische Luft aus der Umgebungsluft holen, sonst endet das Experiment böse.

Um was geht es also dann beim Maskentragen? «Ein Stück Stoff als Symbol gegen das Coronavirus. Dieses Stück Tuch ist auch ein Symbol für eine Gemeinschaft, die sich solidarisch gegen den unsichtbaren Feind ‹Coronavirus› stemmt.», schreibt Focus-Online-Autorin Petra Apfel in einem eher gefühligen Beitrag. Aha. Spiegel online legt nach: «Ob das Tragen des Mundschutzes zu mehr Achtsamkeit führt, ist bisher ungewiss. Mediziner und Politiker hoffen, dass die Masken zu einem allgegenwärtigen Signal werden, um an den Ausnahmezustand zu erinnern.» Aha. An dieser Stelle bin ich fast geneigt, Angela Merkel für ihren nüchternen Verstand zu feiern.

Zugleich beschleicht mich ein unangenehmes Gefühl: die «Maske» als «allgegenwärtiges Signal», um an den «Ausnahmezustand zu erinnern.» Der «Ausnahmezustand» ist an dieser Stelle ein anderes Wort für «Angst». Ja, stimmt schon, wenn ich von einem Dauerlauf aus dem herrlich sonnigen Frühlingswald zurückkomme, mich des Lebens und der damit verbundenen Hoffnung erfreue, und dann wieder in der Stadt bin und die Masken sehe – plötzlich ist es wieder da: Beklemmung, Befürchtung, der Griff zum Smartphone für den neuesten Nachrichten-Check.

Kann das wirklich jemand wollen, dass wir laufend in Angst leben? Dass wir unseren gesunden Menschenverstand und unser Verständnis als mündige Bürger dem Gefühl der allgegenwärtigen Gefahr opfern? Ist das gesund und der Funktion des Immunsystems förderlich, und vor allem, ist das unserer Psyche zuträglich? Und nicht zuletzt, ist das Maskentragen unter der fehlenden medizinischen Evidenz der Stimmung in diesem Land und der erhofften Zukunft dienlich?

Und wenn denn die Maske ein Symbol ist: Ist sie das richtige Symbol? In China ist sie schon lange im Alltag angekommen. China ist aber auch das Land, wo der Ausbruch des Virus in einem repressiven System vertuscht wurde, wo Journalisten und Wissenschaftler verschwinden, welche über Wirklichkeit und Hintergründe – zum Beispiel dem Ausbruchsort des Virus – berichten möchten. China regiert wie jedes totalitäre System mit der Angst.

Sind wir stolz und froh, dass wir in einem Land leben, in dem versucht wird, Entscheidungen mit Fakten und Argumenten zu begründen. Beenden wir also die Ikonographie der Angst und überlassen die Masken jenen, die sie brauchen und professionell handlen können.

1 Kommentare

  1. AMMANN Dietrun sagt

    Mir aus der Seele geschrieben, mein lieber Bruder! Hätte es nur nicht so gut ausdrücken können!

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