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Türe 24: Spitzkohl-Curry.

«Mama ich hab Hunger!» Ob sie wollte oder nicht, der leicht drängende Tonfall, der aus Matteos Stimme zu klingen schien, setzte Eva unter Stress: «Ja, Mann, ich bin dran, hörst Du doch!» Scheppernd zog sie den Blechtopf auf die endlich heiss werdende Herdplatte. Das Feuer hatte sich im Ofen nur schwer entfachen lassen. Und sie hatte sich verschätzt. Sie hatten zu lange gebraucht für den Aufstieg zur Hütte, die sich auf einem runden, jetzt an Heiligabend, tief verschneiten, kugeligen Vorgipfel unter die Tannen duckte. Außerdem hatte Eva den Stoffbeutel mit dem Brot und die Blechdose mit Speck und Käse vergessen, wie sie gerade beim Auspacken des Rucksacks festgestellt hatte. Leise meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Sie hatte diesen Ausflug übers Bein gebrochen. Weihnachten und ein schönes Fest waren in ihrem Kopf weit weg gewesen, Sorgen und viel Arbeit jedoch sehr nah. Aber die Wanderung mit Übernachtung in der «Knusperhütte» , wie das einfache Schutzhaus mit Winterraum im Volksmund hiess, war der sehnlichste Wunsch von Matteo zum diesjährigen Weihnachtsfest gewesen. Matteo, Evas einziger, inzwischen neunjähriger, Sohn war blind. Der schmale Pfad, zwar von vielen Winterwanderern platt getreten, aber darum um so rutschiger, hatte sich für den kleinen Burschen beschwerlicher erwiesen als gedacht. Matteo jedoch hatte sich zäh und beharrlich vorwärts getastet und die mütterlichen Hilfsangebote unwirsch ausgeschlagen: «Lass mich!».

Jetzt saßen sie in den Schlafsäcken aneinander gekuschelt auf einer der schmalen Pritschen und hörten dem Knacken der brennenden Holzscheite zu. Gerade begann das Wasser im Topf zu summen, als Eva Matteo über den Kopf strich: «Ich muss Dir was sagen Matteo.» Der Junge wandte den Kopf in einer raschen Bewegung. Die starren Augen blickten leer und bewegungslos. Das hübsche Jungengesicht leuchtete erwartungsvoll. Es gab Eva einen kleinen Stich ins Herz. Der Bub erwartete eine freudige Überraschung und sie musste einmal mehr ihren sich selbst gegebenen Vorwürfen Rechnung tragen, dem Alltag zu Zweit nicht gewachsen zu sein: «Ich habe die Brotzeit vergessen. Es gibt leider nur Suppe und Kuchen.» Matteos Gesicht verzog sich zu einem spöttischen Lächeln: «Du vergisst öfters was, als ich die Hausaufgaben. Aber das macht nichts Mama. Mag dich trotzdem.» Er drückte sich noch näher an Eva. Weitere stille Minuten vergingen. Langsam breitete sich Wärme im Raum aus. Matteo schien eingeschlafen zu sein. Doch plötzlich sagte er unvermittelt: «Mama, da kommt wer.» Eva richtete sich lauschend auf. Sie hörte nichts. Ausser dem Sprudeln des jetzt kochenden Wassers. «Du täuschst Dich. Da ist niemand.» Matteo schüttelte den Kopf: «Doch Mama. Ich spür’s.» Eva stand auf, wandte sich dem Herd und kochenden Wasser zu. Ihr war unwohl. Manchmal machte ihr der Junge Angst. Spüren waren für Matteo Hören und sein Gehör war unbestechlich. Eva rührte vorsichtig die Tüte mit der Gemüsebrühe ins kochende Wasser. Sie ließ den Löffel langsam kreisen und sah nachdenklich den aufsteigenden Dampfblasen zu, während Matteo jetzt aufrecht sitzend und schief gelegtem Kopf – witterte. «Siehst Du Matteo, Du hast Dich geirrt. Niemand kommt.» Eva hob den Topf vom Herd, angelte mit den Zähnen den am Küchenschrank hängenden Untersetzer. In diesem Moment hörte Eva das Knirschen von Schnee und ein leises Rumpeln, als ob jemand draussen etwas gegen die Hüttenwand lehnen würde. Matteo sank beruhigt gegen das Kissen in seinem Rücken zurück. «Mama, ich hab’s doch schon lange gehört. Jetzt ist er da.»

… Wer die ganze Geschichte lesen möchte, darf mir gerne eine E-Mail schreiben und sich vormerken lassen. In absehbarer Zeit wird diese Geschichte im Rahmen einer Buchveröffentlichung aufgelegt werden.

1 Kommentare

  1. Robert Stolz sagt

    Lieber Justus,
    wieder mal eine wunderbar schöne und berührende Weihnachtsgeschichte. Die zeigt, dass es nicht wirklich viel braucht um zufrieden und glücklich zu sein, oder dem doch nicht ganz so einfachen Alltag zu entfliehen. Ein gutes veganes Essen, ein guter Wein, nette Gesellschaft … das klingt gut.

    Ich wünsche allen „frohe Weihnachten“
    Herzliche Grüße
    Robert

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