Geschichten
Kommentare 2

Entscheidung. Oder nicht.

«Feuer?» Der Fremde beugte sich – in der Rechten einen Zigarillo – in selbstverständlich freundschaftlicher Vertraulichkeit zu ihm. Yves mochte weder das Eine noch das Andere. Raucher waren nämlich aus seiner Sicht nicht automatisch Freunde, weil sie dieselbe Sucht teilten. Und seit Corona war Vertraulichkeit unter Fremden sowieso äusserst deplatziert. So musterte Yves sein Gegenüber mit kühler Distanziertheit. Wer Yves kannte wußte, dass die unmerklich nach oben gezogenen Brauen und das leicht überlegen wirkende und nur angedeutete Lächeln blitzschnell in kalten Zynismus umschlagen konnten. Der Fremde wirkte eigentlich nicht unsympathisch. Mittelgross, sportlich, aber eher schmächtig, blondes, leicht gewelltes, nach hinten gegeeltes Haar, auf den Körper geschnittener Massanzug, feine hellbraune Lederschuhe. Durchnitts-Typ. Gehobenes Management. Einzig die strahlend blauen Augen waren auffällig. Er hätte schwören können, der Typ wäre Amerikaner. Aber er sprach offensichtlich deutsch. Woher wußte der Fremde, dass Yves Deutscher war?

Yves hob dem Fremden sein Feuerzeug hin, während dieser seinen Zigarillo genießerisch in Brand setzte und ihn seinerseits ebenso unverhohlen musterte. Der aufsteigende Rauch vernebelte kurz beider Blicke. Yves ließ das Feuerzeug mit einer lässigen Bewegung in der Tasche seines Sakkos verschwinden und machte einen kleinen Schritt weg, hin zur Glas-Brüstung der Terrasse. Das für ihn unmißverständliche Signal, dass die Kommunikation beendet war. Yves zog gierig an seiner Zigarette und ließ den Blick über die eindrucksvolle Szenerie schweifen, die sich ihm bot: Das Fairmont Pacific Rim galt nicht umsonst als Vancouvers Grand-Hotel mit der besten Aussicht. Im Vordergrund die Lichter von West- und North-Vancouver, links die sich weit öffnende Bucht des Burrard Inlet und dahinter die verschneiten Gipfel der Coast-Mountains, die im Licht des Vollmondes wie von innen her intensiv zu glimmen schienen. In solchen Augenblicken genoß Yves Stadelmann den Status und die Privilegien eines international geachteten Top-Managers in vollen Zügen. Das Ergebnis harter Arbeit und seines unbändigen Willens. Vorstand für Forschung und Entwicklung. Die nächste Station war dann ganz oben. Eine wichtige letzte Stufe hatte er heute morgen erklommen. Die Präsentation der neuen Batteriegeneration an diesem Vormittag war phantastisch gelaufen. Das Vertriebsteam Nordamerika war elektrisiert von den vielversprechenden Aussichten einer neuen Fahrzeuggeneration und noch mehr von der Perspektive auf fette Provisionen. Denn die Absatzzahlen würden jetzt durch die Decke gehen.

Yves musste unwillkürlich schmunzeln: Elektrisiert. Im wahrsten Sinne des Wortes. Alle waren inzwischen auf den Zug der Elektromobilität aufgesprungen und glaubten den Verheißungen einer besseren neuen Zeit. Die umweltfreundliche Mobilität ohne Reue. So ähnlich war es schon einmal gewesen. Als Yves sein Maschinenbau-Studium abgeschlossen hatte und die Dieseltechnologie den Durchbruch in ein neues Zeitalter versprach. «Gib‘ dem Affen Zucker», war das Motto von Joe Kessler, Vorstandsvorsitzender und sein Mentor. Sie waren erfolgreich, und das zählte. Yves galt als Joes Ziehsohn. Joe würde demnächst an die Spitze des Aufsichtsrates wechseln. Die logische Lösung auf dem Sessel des Vorstandsvorsitzenden war – er. Yves nahm einen weiteren gierigen Zug seiner Zigarette und zog das Sakko über der Brust zusammen und verharrte in der typischen Haltung aller rauchenden Sünder: Sie wurden mit ihrer Sucht im besten Fall wie hier auf wunderbare aber winters trotzdem bitter kalte Aussichtsterrassen verbannt. Oder mussten im schlechtesten ihre Zigaretten an einem zugigen Hintereingang wie heimliche Kiffer inhalieren. Yves fröstelte. Es war scheißkalt hier, aber wunderschön. Die hell erleuchtete Fähre zog einen schwarzen Kanal in das vom Mondlicht glitzernde Meer. Yves Gedanken schweiften ab. Er würde den wunderbaren Abend und die Nacht mit Anna verbringen, morgen standen noch zwei wichtige Besprechungen an, und dann würden sie übermorgen ganz früh via Calgary in die Rockies düsen, Lake Louise und die weltberühmten Skipisten genießen, seinen Sohn Jonas treffen, der zur Zeit als Ski Bum durch Canada tingelte, und selbst ein paar Höhenmeter mit dem Heli ballern, bevor es nächste Woche wieder nach Old Europe ging. 

«Phantastische Aussicht, oder?» Der Fremde war neben ihn getreten. Yves hasste es, auf diese Art und Weise «von der Seite» angesprochen zu werden. Er verbarg seinen Unwillen nicht: «Und mit mehr oder weniger intelligentem Smalltalk ist sie gleich doppelt so schön.» Der Fremde schien unbeeindruckt von seiner ironischen Unverschämtheit. «Habe kürzlich den Fragebogen mit Ihnen im FAZ-Magazin gelesen. Beeindruckend. Ihr fadengerades Denken, die klare Wertorientierung. Das Bekenntnis zu Ihrer Familie als erste Priorität. Chapeau.» Mit einer angedeuteten Verbeugung und halben Drehung wandte sich der Fremde zu Yves hin und wechselte wieder zu dieser unangenehmen Vertraulichkeit: «Kein Wunder bei dieser bezaubernden Ehefrau.» Der Fremde hatte seine Stimme gesenkt und wies mit einer leichten Bewegung seines Kinns auf den Tisch hinter der spiegelnden Glasfront, an welchem Anna saß, das Handy in der Hand, offensichtlich versunken in den Chat mit irgendeiner Freundin. Yves zog wieder an seiner Zigarette, während er die Augen zusammenkniff und sein Gegenüber zweifelnd musterte. Wer war der Typ? Was wußte er von Anna? Was wollte er von ihm? Die blauen Augen des Fremden erwiderten seinen misstrauischen Blick unbefangen. Plötzlich huschte überraschtes Erkennen über das Gesicht des Fremden und löste sich in ein unbestimmtes Lächeln auf: Ironie? Geringschätzung? Oder doch wieder diese kumpelhafte Vertraulichkeit, schulterklopfendes Verständnis? «Ach so? Nicht ihre Frau?» Die Frage blieb unbeantwortet. Sie schien sich in der Rauchwolke verfangen zu haben, die Yves nach einem letzten langen Zug an seiner Zigarette ausgestossen hatte. Er drückte den Stummel im vor ihm an der Terrassenbrüstung angebrachten Ascher aus und wandte sich zum Gehen. Er hatte es weder nötig, noch hatte er Lust, mit einem wildfremden Menschen Privates auszutauschen.

In dem Augenblick, als er sich in Richtung der sich automatisch öffnenden Türe zum Panorama-Restaurant in Bewegung setzte, bemerkte der Fremde ohne weiteren Zusammenhang: «Beenden Sie das hier. Oder Ihr Sohn ….» Yves stoppte abrupt. Anna musste die heftige Bewegung von ihrem Logenplatz direkt am Panoramaglas wahrgenommen haben. Sie blickte vom Handy auf, ihr schönes Gesicht strahlte in einem liebevoll erwartungsfrohen Lächeln? Yves drehte sich auf dem Absatz um. Musterte den Fremden. Leise antwortete er: «Sie drohen mir? Wer sind Sie?» Der Fremde zuckte leichthin die Schultern. Lächelte freundlich. «Ist das ein Erpressungsversuch? Wer schickt Sie? Was wissen Sie von meinem Sohn?» Der Fremde hatte sich ihm jetzt auch zugewandt. Das Mienenspiel freundlich, mit offenem, klaren Blick. «Mich schickt niemand. Ich will kein Geld von Ihnen. Aber eine Entscheidung. Ihr Leben oder das Leben Ihres Sohnes.» …

… Wer die ganze Geschichte lesen möchte, darf mir gerne eine E-Mail schreiben und sich vormerken lassen. Der Plan: Spätestens im Jahr 2022 wird diese Geschichte als Buch aufgelegt werden.

2 Kommentare

  1. Claudia + Wolfgang Leppert sagt

    Leseprobe odder au afueddere

    N‘oobe Justus ,

    bräächdig agfueddered …

    Jetzt han ich dängt, ich hädd so ne churzis, knappis G’schichtle uf de Friddig Fiierobe
    vor mr ….

    Grad will’s au no spannend isch, han ich nadürlich scho uf’s End gluurd, jetzt chunnd de Autor mit dere Usreed uff 2022.

    Joo halt, nämmer mer das Angebood a und waardes halt eifach no ab ….

    Danke trootzdem für des Versuuecherli und au no e schöön‘s Wuuche n’end.

    ClaWo

    Noochschrift
    Nur für diä wo’s nonid wüsse, d’Iisdiele hed sidd geschdern, am Dunschdig, wiedder uff.

Schreibe einen Kommentar zu Claudia + Wolfgang Leppert Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert