Der Tag versprach schön zu werden. Einer jener ersten lauen Frühlingstage wie sie die Westwinde durch die burgundische Pforte früher als anderswo ans Rheinknie blasen. Peter Steiner war zeitig dran, und so ließ er sich Zeit bei seinem Umweg ins Büro. Mit dem Fahrrad gondelte er gemütlich über die Markgräflerstraße hinab an den unteren Rheinweg, an den hässlichen Druckbehältern und Tanks der «Chemischen» vorbei – wie die Basler ihre großen Pharmaunternehmen nennen. Von der Dreirosenbrücke ging es dann Richtung City. Peter Steiner genoß diese kleine Rundfahrt am Morgen, wenn er vom Rheinufer kommend an der mittleren Rheinbrücke stadteinwärts einbog. Zu dieser Zeit lärmte die Stadt noch nicht im grellen Geräusch und ohne Hast stiegen die Menschen an den Straßenbahnhaltestellen ein und aus. Ja, Basel, das sich tagsüber in fast weltläufiger Hektik von seiner unfreundlichen Seite zeigte – um diese Zeit strahlten Straßen und Plätze eine heitere Gelassenheit aus. Und die Stadt, sie tönte anders. Das Gebimmel der Tram war deutlich zu hören und aus den zum Lüften geöffneten Fenstern der Stadthäuser manchmal das morgendliche Toilettenrauschen zu vernehmen – eine fast dörfliche Intimität, die Peter liebte. Bei der Bäckerei in der Nähe des Spalentors hatte Peter Steiner wie immer zwei «Gipfeli» gekauft – die Basler Spezialität, weder Croissant noch Milchbrötchen – dann radelte er auf direktem Weg ins Büro. Ein ordentlicher Tag im geordneten Leben des Peter Steiner nahm seinen Anfang.
Als Peter sein Zimmer betrat, lag mitten auf seinem Schreibtisch ein Zettel. Peter sah ihn sofort. Denn sein Schreibtisch war immer peinlich genau aufgeräumt, wenn er ihn abends verließ. Bleistifte, Kugelschreiber und Radiergummi hatten ihren festen Platz und die seit einigen Jahren die Steinersche Schreibtischordnung neu herausfordernde Docking-Station lag auf einem Anbaubrettchen, das er selbst ausgetüftelt hatte. Vor allem die Maus mit dem eigenwillig kringelnden Anschlußkabel hatte sich zu Anfang seinem Ordnungswillen widersetzt. In immer neuen Formen lag das Kabel entweder im wilden Knäuel oder in störendem Durcheinander mit Lineal oder Bleistift auf seiner Schreibunterlage. Aber er hatte das Problem gelöst. Ein Ständer, normalerweise für Haushaltspapier-Rollen vorgesehen, bändigte jetzt die Maus mit ihrem frechen Kabelschwanz. Den Zettel sah er sofort, auf den ersten Blick, als er die Tür aufstieß und das Zimmer betrat. Der Zettel war rot. Nicht etwa weiß, oder gelb, wie sich das für Notizzettel in einem geordneten Bürobetrieb gehörte, sondern rot. Ein beunruhigendes rot, wie Peter Steiner sofort empfand. In schwungvollen Buchstaben stand auf dem Zettel „Herr Kellinghaus erwartet sie um 10 Uhr in seinem Büro. Mit freundlichem Gruß, Marianne Rosenberg“. Marianne Rosenberg war die Chefsekretärin von Martin Kellinghaus, dem Firmeninhaber und geschäftsführenden Direktor. Daß Marianne Rosenberg diese Nachricht geschrieben hatte, erklärte auch das beunruhigende Rot – wie Peter Steiner anfangs meinte. Sie war nämlich die etwas schräge, um nicht zu sagen schrille rechte Hand des Chefs.
… Wer die ganze Geschichte lesen möchte, darf mir gerne eine E-Mail schreiben und sich vormerken lassen. Zum Jahresende 2021 wird es ein Buch mit Kurzgeschichten, Superkurz-Geschichten und Fotos von mir geben.
Sehr gut Justus!
Hab‘ angefangen, deine Kurzgeschichte zu lesen und bin beeindruckt. Freue mich darauf, die Lektüre beizeiten fortzusetzen. Alles Gute, Matze
Lieber Justus, habe leider erst heute, aber mit Muse im Hängesessel über der Erms Deine Geschichte gelesen. Sie hat mich sehr berührt. Sie erzählt soviel vom Leben, von den Feinheiten des Lebens, über die zu oft hinweg gelebt wird … Ich kann das, was ich ausdrücken möchte nicht so gut in Worte fassen, aber ich hoffe Du verstehst, was ich meine. Apropos Worte: Auch Deine Art zu erzählen gefällt mir. Deine Sprache hebt sich ab, von dem was einem heute oft vorgesetzt wird. Ich geniesse schöne Sprache wie guten Wein. Wäre schön, wenn du Dich ganz aufs Geschichtenschreiben konzentrieren könntest. Liebe Grüße Dietrun