«Mama ich hab Hunger!» Ob sie wollte oder nicht, der leicht drängende Tonfall, der aus Matteos Stimme zu klingen schien, setzte Eva unter Stress: «Ja, Mann, ich bin dran, hörst Du doch!» Scheppernd zog sie den Blechtopf auf die endlich heiss werdende Herdplatte. Das Feuer hatte sich im Ofen nur schwer entfachen lassen. Und sie hatte sich verschätzt. Sie hatten zu lange gebraucht für den Aufstieg zur Hütte, die sich auf einem runden, jetzt an Heiligabend, tief verschneiten, kugeligen Vorgipfel unter die Tannen duckte. Außerdem hatte Eva den Stoffbeutel mit dem Brot und die Blechdose mit Speck und Käse vergessen, wie sie gerade beim Auspacken des Rucksacks festgestellt hatte. Leise meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Sie hatte diesen Ausflug übers Bein gebrochen. Weihnachten und ein schönes Fest waren in ihrem Kopf weit weg gewesen, Sorgen und viel Arbeit jedoch sehr nah. Aber die Wanderung mit Übernachtung in der «Knusperhütte» , wie das einfache Schutzhaus mit Winterraum im Volksmund hiess, war der sehnlichste Wunsch von Matteo zum diesjährigen Weihnachtsfest gewesen. Matteo, Evas einziger, inzwischen neunjähriger, Sohn war blind. Der schmale Pfad, zwar von vielen Winterwanderern platt getreten, aber darum um so rutschiger, hatte sich für den kleinen Burschen beschwerlicher erwiesen als gedacht. Matteo jedoch hatte sich zäh und beharrlich vorwärts getastet und die mütterlichen Hilfsangebote unwirsch ausgeschlagen: «Lass mich!».
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